«Wir fordern eine Prüfungspflicht»

IG Motorrad - «Wir fordern eine Prüfungspflicht»

Immer öfter müssen wir über schwere Unfälle von Jugendlichen 125er-Fahrern lesen. Das Problem ist aber nicht die Reduzierung des Mindestalters auf 16 Jahre, sondern eine klaffende Lücke im Ausbildungssystem. So machen viele nie einen A1-Führerschein. Die Mobilitätskommission «Moto-Mobilität Schweiz» (IG Motorrad Schweiz und Swiss Moto) fordert deshalb eine Prüfungspflicht.

Svenja Kronenberg fährt die 20 Kilometer zu ihrem Ausbildungsplatz fast täglich mit ihrer MT-125 von Yamaha. Seit einem Jahr ist sie mit der 125er auf der Strasse unterwegs. Am Heck prangt ein grosses L. Denn einen Motorradführerschein hat die 17-Jährige nicht und sie hat auch nicht vor, die Prüfung für die Kategorie A1 (bis 125 ccm) abzulegen. Mit dem Lernfahrausweis darf sie keinen Sozius mitnehmen und nicht auf die Autobahn. Alles kein Problem für sie. «Ich brauche die Prüfung nicht machen», sagt die Junglenkerin, und spart sich damit Geld. Denn mit dem Autoführerschein bekommt sie die Kategorie A1 automatisch – ohne zusätzliche Prüfung.

So wie Svenja machen es die meisten ihrer Kollegen auch. «Fahranfänger müssen im aktuellen System keine A1-Prüfung absolvieren», erklärt Fahrlehrer Christoph Arnold aus Sursee. Seit der Umstellung 2021 (seitdem dürfen 16-Jährige 125er fahren), besteht eine klaffende Lücke im Ausbildungssystem. In der Schweiz reicht es aus, eine Theorieprüfung (Multiple-Choice-Fragen) zu bestehen und einen Lernfahrausweis zu besitzen. Den gibt es für wenig Geld auf dem kantonalen Strassenverkehrsamt. Wenn die Neulenker den obligatorischen Grundkurs (zwölf Stunden in der Gruppe) absolviert haben, ist dieser 16 Monate gültig. Nach Ablauf kann ein zweiter Lernfahrausweis bestellt werden, der weitere 12 Monate gültig ist. «Die 16-Jährigen sind somit zwei Jahre ohne weitere Ausbildung und Prüfung im Verkehr unterwegs, mit all seinen Tücken und Gefahren», weiss Fahrlehrer Christoph Arnold.

Das System hat sich offenbar herumgesprochen. Die 125er-Motorräder sind bei Jugendlichen entsprechend beliebt. Laut Importeursverband «Moto Suisse» verkaufen die Händler in der Schweiz mindestens sechsmal so viele 125er-Motorräder (ohne Roller) als vor der Umstellung. Das Bundesamt für Strassenverkehr (ASTRA) hat die Unfallzahlen bei 16- und 17-Jährigen evaluiert. Die Entwicklung ist erschreckend. Das ASTRA schreibt von einer Verdopplung der schweren Unfälle in dieser Altersklasse. Gleichzeitig zeigt die Statistik deutlich den Kern des Problems: Die meisten schweren Unfälle in der Altersklasse der 16- bis 17-Jährigen passieren in den ersten fünf Monaten nach Erhalt des Lernfahrausweises. Danach nimmt die Zahl zwar ab, aber auch dann sind erheblich mehr Lernfahrausweisinhaber als Führerscheininhaber in schwere Unfälle verwickelt.

«Es gibt ganz klar grosse Probleme bei der Ausbildung», sagt Torben Stephan, der für die IG Motorrad Schweiz das ASTRA beraten hat. Das aktuelle Ausbildungssystem bereite junge Menschen nicht auf den Strassenverkehr vor. Das müsse sich schleunigst ändern. Gerade bei Neulenkern. Dies fange schon bei der Theorieprüfung an. «Multiple-Choice-Fragen sind keine nachhaltige Lernmethode», sagt Torben Stephan. Auch die obligatorischen Grundfahrkurse, die in Gruppen durchgeführt werden, seien nicht ausreichend.

Deshalb fordert die neu gegründete Mobilitätskommission «Moto-Mobilität Schweiz», bestehend aus der IG Motorrad Schweiz und der Swiss Moto, eine Prüfungspflicht spätestens nach 16 Monaten einzuführen. Denn nur durch einen nahenden Prüfungstermin würden Fahrschüler zusätzliche, individuelle Fahrstunden nehmen. Das haben mehrere Fahrlehrer bestätigt. Und auch Svenja Kronenberg sagt: «Wenn Jugendliche eine Prüfung machen müssen, nehmen sie auch die Fahrstunden ernster.» Um dorthin zu kommen, müsse nur der Erwerb eines zweiten Lernfahrausweises unterbunden werden.

Das Mindestalter für 125er wieder auf 18 Jahre zu erhöhen, wie es die Beratungsstelle für Unfallverhütung fordert, sei dagegen kontraproduktiv. «Damit verschieben wir das Problem nur auf später», argumentiert Torben Stephan. Ziel müsse es vielmehr sein, junge Menschen sicher an den Strassenverkehr und das Motorradfahren heranzuführen. Das Schwierigste sei vor allem Verkehrssituationen oder Geschwindigkeiten richtig einzuschätzen. Auch Svenja Kronenberg kann das bestätigen. Vor ihrem 16. Lebensjahr war sie mit dem Töffli unterwegs. «Allein dadurch habe ich Erfahrungen im Strassenverkehr sammeln können, die mir heute zugutekommen», sagt die 17-Jährige. Das ist ein Grund, warum sie so gut wie nie überholt. «Meine 125er hat dafür viel zu wenig Leistung.»

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