«Fahren Sie doch in Ihrem Wohnquartier!»

IG Motorrad - «Fahren Sie doch in Ihrem Wohnquartier!»
Die Bergüner Journalistin Antonia Bertschinger beschwerte sich deftig in der Zeitung «Südostschweiz» über lärmende Motorradfahrer. Mit «Selbstschussanlagen» drohte die gebürtige Zürcherin verbal den Töfffahrern, die auf dem Weg zum Albulapass an ihrem Haus vorbeifahren (wir berichteten). Alle, die ihr nicht glaubten, wie stark die Motorräder ihre Lebensqualität beeinträchtigten, lud sie auf einen Kaffee in ihren Garten ein. Dann könne man sich ja mal ein Bild davon machen. Roger Uhr, Zentralspräsident des Schweizerischen Auto- und Motorradfahrer-Verbandes (SAM) und langjähriges Mitglied der IG Motorrad Schweiz, hat die Einladung angenommen und das Gespräch mit Frau Bertschinger gesucht. Hier sein Bericht.

Von Roger Uhr, SAM-Zentralpräsident

Telefonisch meldete ich mich in Bergün. Wir vereinbarten, dass wir uns am Nachmittag des 20. Juli dort treffen würden. Der Tag war wettertechnisch durchzogen, der Ferienverkehr hatte merklich zugenommen, und so waren viele unsichere und unbeholfene Auto- wie Motorradfahrer auf den Strassen unterwegs. Über die Lenzerheide, mit einem Zwischenstopp bei Bekannten in Savognin, sowie den Julier- und den Albulapass erreichten wir Bergün/Bravuogn, das auf 1367 Meter über dem Meer liegt. Der Doppelname ist seit 1943 der offizielle Name. 2018 fusionierten die früheren Gemeinden Bergün/Bravuogn und Filisur zur neuen Gemeinde Bergün Filisur.

Malerischer Dorfkern und UNESCO-Welterbe

Bergün liegt am UNESCO-Welterbe Albulalinie mit dem weltberühmten Landwasserviadukt. Der Ort begeistert Besucherinnen und Besucher aus dem In- und Ausland mit seinem malerischen Dorfkern, dem Bahnmuseum, dem wunderschönen Naturpark Ela sowie den rasanten Schlittelstrecken. Die Autorin des Artikels, Antonia Bertschinger, wohnt mitten in Bergün an der mit Pflastersteinen versehenen Hauptstrasse in einem altehrwürdigen Wohnhaus mit grossem Vorplatz. Seit sie zwei Jahre alt war, verbrachte sie fast alle Ferien in Bergün. Schliesslich zog sie in das historische Bürgerhaus Chesa Orta, das sich im Familienbesitz befindet. Die Chesa Orta ist ein grosses, traditionelles Haus mit zehn Schlafzimmern und grosszügigen Gemeinschaftsräumen, ideal für Grossfamilien, Vereine, Kurse oder andere Gruppen von zehn bis sechzehn Personen.

Enge Gassen, Kopfsteinpflaster. Da kann es schon mal laut werden in Bergün.
Enge Gassen, Kopfsteinpflaster: Da kann es schon mal laut werden in Bergün.

Sie erwartete uns bereits in ihrem Vorgarten. Wir wurden freundlich empfangen und zu Kaffee und Guetzli eingeladen. Frau Bertschinger schilderte uns ihre Situation: das stetig zunehmende Verkehrsaufkommen und den damit verbundenen wachsenden Lärm. Auf ihrer Homepage steht: «Verbringen Sie erholsame Tage in Bergün, einem der sechs ‹schönsten Schweizer Dörfer› in Graubünden!» Wunderschön, doch leider zunehmend vom Verkehrslärm betroffen.

Pflastersteine sind schön, aber …

Während unseres Besuchs stellten auch wir fest, dass der Verkehr, vor allem wegen der Pflastersteine direkt vor dem Haus, trotz Tempo-30-Zone erhebliche Rollgeräusche vor allem von Autos verursacht. Motorradfahrer empfanden wir nur dann als störend, wenn sich der Verkehr im Dorf staute und sie in grösseren Gruppen durchfuhren. Und dann waren da bedauerlicherweise noch jene, die immer und überall auffallen wollen, sprich: Auto- und Motorrad-Poser.

Genau das ist einer der Punkt, weshalb wir Motorradfahrer oft pauschal verurteilt werden. Wir konnten Antonia Bertschinger aufzeigen, dass auch wir uns klar von dieser kleinen, aber lauten Minderheit distanzieren und dagegen ankämpfen. Etwa mit Kampagnen wie «Laut ist out» oder «Respekt statt Lärm», mit denen wir sensibilisieren und das Bewusstsein der Community für Rücksichtnahme, Verständnis und Respekt gegenüber der nicht motorradfahrenden Bevölkerung sowie der Umwelt schärfen. Es freute mich, dass wir auch das vorbildliche Verhalten insbesondere unserer jungen Tourguides aus dem Bereich Tourismus hervorheben konnten. Bei unseren Touren wird stets besonderer Wert auf die Verhaltensregeln in Bezug auf Verkehr, Bevölkerung, Lärm und Umwelt gelegt.

Wertvoller Austausch

Der Austausch war für uns sehr wertvoll. Auch wenn Antonia Bertschinger wohl nie ein grosser Fan von Motorradfahrern wird, hat sich gezeigt: Reden hilft. So versuchen wir nun, die Bergüner Bevölkerung zu unterstützen. Durch das Anbringen von Plakaten an den Dorfeingängen könnten wir beispielsweise auf das Lärmproblem aufmerksam machen und den Verkehr sensibilisieren.

Dieser Artikel erschien erstmals im Verbandsmagazin SAM Motor Journal 2025/08 des Schweizerischen Auto- und Motorradfahrer-Verbandes (SAM). Der Autor Roger Uhr ist SAM-Zentralpräsident. Im Beitrag schilder er seine persönlichen Erlebnisse und Ansichten.

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